Das Archiv-Team im Kulturdorf Seeham: alte Ansichten

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Matthias Hemetsberger

Raunächte

Wer von der Generation, welche in der Mitte des vorigen Jahrhunderts oder noch früher geboren wurde, erinnert sich nicht mit leichtem Schaudern an die Zeit der Raun-ächte, die damals für uns Kinder mit viel Unheimlichem verbunden waren. Man müsse sich vor der „Wilden Jagd“ hüten, vor dem Schreien, Johlen, Jammern, Heu-len, Ächzen und Stöhnen der Seelen jener Menschen, die im laufenden Jahr gewaltsam oder durch ein Un-glück vorzeitig den Tod gefunden haben. Nach dem Abendläuten noch draußen zu sein, war ein „No Go“- so würde man heute sagen. Außerdem stand für die Kin-derseele die „Wilde Percht“ drohend vor der Haustür, oder wie es bei uns daheim am Bauernhof hieß, vor dem „Tenntor“. Denn die Haustür wurde nur selten benützt, z.B. wenn die Verwandtschaft in den Weihnachtsfeierta-gen auf „d´Roas“ kam.

Obwohl der ursprünglich in Irland verbreitete Volks-brauch„Halloween“ bei uns immer stärker an Boden gewinnt, ist auch eine Rückbesinnung auf die Raunäch-te spürbar. Die Sehnsucht der Menschen nach Alther-gebrachtem, im Einklang mit der Natur und den natürli-chen Gegebenheiten des Jahreskreises zu leben und die Sinnsuche dürften dafür Triebfedern sein. Gerade um den Jahreswechsel sollten Bräuche und Rituale Ordnung in Vergangenes und Strukturen in Zukünftiges bringen.
Die Entstehung der Raunachtbräuche wird mit dem von Papst Gregor XIII. eingeführten Kalender, der sich auf den Lauf der Sonne bezieht, in Zusammenhang ge-bracht. Im Verhältnis zum Mondjahr, nach dem das Jahr 354 Tage hatte , ergab sich eine Differenz von 11 Tagen und 12 Nächten, den Raunächten. Da diese Tage und Nächte gewissermaßen „außerhalb der Zeit“ lagen, ergab sich ein magisch-mystischer Zeitraum, in welchem die Grenzen zwischen der realen und der jenseitigen Welt verwischt wurden.



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Bräuche und Rituale in dieser Jahreszeit reichen schon weit zurück. Vergleichbares findet sich bei den Kelten und bei den Römern. Im alten Rom feierte man ab dem 25. Dezember 12 Tage lang „Natalis Solis Invicti“, die Wiedergeburt der Sonne durch die Wintersonnenwende. Saturn, dem Gott der Aussaat, wurden Opfer in Form von brennenden Kerzen dargebracht. Unsere lichtergeschmückten Tannen könnten Relikte dieser Vorzeit sein. Die „Wilde Jagd“ kann auf die bei den Germanen im Wintersturm heranziehenden 12 Gottheiten zurückge-führt werden. Ebenso werden die Perchten mit den Kelten in Zusammenhang gebracht. Das Wort dürfte von keltisch „peraht“= hell, kommen.
Der Begriff „Raunacht“ ist nicht eindeutig geklärt. Er kann von der dunklen, kalten-rauen- Jahreszeit , von „rauchen, räuchern“ oder vom mittelhochdeutschen „ruch“, was haarig bedeutet, herstammen. Bei den Kürschnern werden Tierfelle als „Rauware“ bezeichnet - und Felle tragen auch die Perchten.
Von den ursprünglich 12 Raunächten sind nur mehr vier geblieben, die mit Bräuchen in Verbindung gebracht werden. Es gibt Gepflogenheiten, die für alle Rauhnächte gelten:
Es soll keine Wäscheleine gespannt werden, da sich darin die Geister der „Wilden Jagd“ verfingen, und schon gar nicht eine Wäsche zum Trocknen aufgehängt wer-den, da diese als Leichentücher für die Träger der Wäsche gelten. Es sollte nicht gestritten werden, die Türen dürfe man nicht laut zuknallen, Versprechen sollten ein-gelöst, Schulden beglichen und unerledigte Angelegenheiten nicht ins neue Jahr hinübergenommen werden.
Vor allem sollte in den Raunächten- ausgenommen die Thomasnacht - geräuchert werden. Es können über das Jahr gesammelte Kräuter und Harze- am Gebräuchlichsten ist Weihrauch- verwendet werden, die auf eine Räucherkohle gelegt werden. Vom Keller ausgehend soll in jedem Zimmer der Rauch-am besten mit einem Federfächer-verteilt werden. Die Räume sollen aufgeräumt und geputzt sein. Ein paar Fenster sollten geöffnet sein, damit das Negative den Weg nach draußen findet. In christlicher Tradition werden die Räume mit Weihwasser gesegnet. Besondere Bedeutung hatte und hat das Räuchern bei den Bauern. Durch den segensbringenden Weihrauch sollen Haus, Hof und Stall vor Unheil be-wahrt werden. Das Vieh im Stall erhält geweihtes Brot und Salz.

Die Thomasnacht am 21. Dezember ist für die heiratswilligen Mädchen – um der Gleichstellung von Mann und Frau gerecht zu werden: für alle Heiratswilligen- von Bedeutung. Das Liebesorakel, entweder durch den Brauch des „Schlapfenwerfens“ (der Schlapfen wird vor dem Haus über die Schulter geworfen; schaut die Spitze zur Haustür, wurde im nächsten Jahr geheiratet) oder des „Hunderlanmeldens“ ( woher ,im Freien stehend, um Mitternacht ein Hundegebell zu hören ist, von dort komme der künftige Hochzeiter)stand früher hoch in Kurs. Auch heute gilt noch: In der Thomasnacht erscheine im Traum die wahre Liebe, wenn man vor dem Zubettgehen das Sprüchlein aufsage: „Bettstatt i tritt di, heiliger Thomas i bitt di, lass mir erscheinen die/ den Herzallerliebste(n)
mein“.
Der Heilige Abend am 24.Dezember gilt als zweite der vier Hauptraunächte. An diesem Abend wird vor allem der Brauch des Räucherns durchgeführt. Es wird mit dem Räucherpfandl durch Haus und Hof gegangen, um die bösen Geister zu vertreiben und mit dem Duft von Weihrauch Schutz und Segen zu erbitten. Gelebter Brauch ist das „Christkindlanschießen“, das mancherorts seit dem 14. Jahrhundert ausgeübt wird und auch bei uns in Seeham seit der Gründung der F.X. Klaushofer Prangerstutzenschützen 1964 Tradition hat. Böse Geister sollen dadurch vertrieben werden, um dem „Christ-kind“ den Weg zu bereiten. In früheren Kulturen sollte durch diesen „Lärmbrauch“ nach der Wintersonnenwende die Natur geweckt werden.
Gemutmaßt wird auch, dass um Mitternacht die Tiere im Stall und im Wald reden. Wer allerdings zuhört, sterbe im nächsten Jahr. Und noch eine Volksmeinung: Wer am Heiligen Abend die Schlösser von Türen und Truhen schmiert, bringt es im nächsten Jahr zu Reichtum.
In der Silvester Raunacht werden durch den Lärm und das Knallen einerseits die bösen Geister des zu Ende gehenden Jahres vertrieben, andererseits die Lebens-lust und die Lebensbejahung für das neue Jahr geweckt. Das Bleigießen soll einen Blick in die Zukunft gewähren, durch Glücksbringer sollen Wünsche in Erfüllung gehen. Das Glücksschwein soll Wohlstand bringen, der Glückspilz ist ein Hinweis auf Finderglück sein, das Kleeblatt gilt als Sinnbild der Lebenskraft, das Hufeisen soll ein Zeichen für die Abwehr von Unglück und Zauber sein, der Rauchfangkehrer habe eine reinigende Kraft für das Gemüt und die Seele (Verbindung mit dem Fegefeuer), durch den Glücksgroschen (-cent) soll sich das Geld vermehren, durch den Fisch soll das Vorwärtskommen gewährleistet sein; als Symbol des Christentums ist er einer der wenigen religiösen Glücksbringer.

Mit der Nacht zu Dreikönig enden die Raunächte. Die Wilde Jagd - das Wilde Gjoad- soll in dieser Nacht noch viel gefährlicher sein. Wird man im Freien davon überrascht, müsse man sich noch tiefer in eine Erdmulde ducken. Außerdem ist Frau Percht mit dem Doppelgesicht unterwegs: bedrohlich und Respekt einflößend auf der einen Seite, lieblich und freundlich auf der anderen. So deutet sie die dunklen Kräfte der Natur wie auch die lichten, warmen und Wachstum bringenden an. Zum Gefolge der Percht gehören schöne und „schiache“ Perchten sowie die „Habergoaß“, die einen stampfen-den Tanz und Bocksprünge vollführt. In den letzten Jahrzehnten verschmelzen Perchten und Krampusse immer mehr. Daher tragen manche Perchtenpassen auch teuflische Bezeichnungen wie Diabolos, Gruamteifln, Zerberus Pass und treten schon vor der Zeit, vor den Raunächten in Erscheinung.
Nicht mit den Raunächten in Zusammenhang steht der Brauch der Sternsinger am 6. Jänner. Dieser „Heische-brauch“ (Erbitten von Gaben) ist im Kloster St.Peter zu Salzburg im Jahr 1541 zum ersten Mal erwähnt. Diente der Brauch bis ins 20. Jahrhundert vor allem einem so-zialen Zweck, indem arme Menschen als Heilige Drei Könige verkleidet durch die erbetenen Gaben für einige Zeit ihr Auskommen hatten, so bildeten sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf Initiative der katholischen Kirche Sternsingeraktionen heraus. Die erbetenen Spenden werden für Entwicklungshilfeprojekte zur Verfügung gestellt, um weltweit Kindern in Not zu helfen. Durch die Segensbitte C+M+B soll der Segen Gottes auf das Haus und seine Bewohner herabgerufen werden (Christus mansionem benedicat = Christus segne das Haus).
Die Dreikönigspiele, die sich um die Weisen aus dem Morgenland und um König Herodes ranken, weisen durch die Einbindung von listigen und lustigen Figuren nach den „aus der Zeit gefallenen Raunächten“ bereits auf das Faschingstreiben voraus.