Das Archiv-Team im Kulturdorf Seeham: alte Ansichten
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Matthias Hemetsberger

Pockenepidemie

Foto. Der Text:
Löbl(iche) Gemeinde Vorstehung in Seeham!
Unterzeichneter beehrt sich, sogleich die Anzeige zu machen, daß am 10. Juli des Jahres (1868) 8 Uhr früh im Gasthaus in Seeham die Gemein Impfung (allgemeine Impfung gegen Pocken) vorgenommen wird; man ersucht auch das Löbl(iche) Pfarramt und das kk Bezirks-Amt in Salzburg davon in Kenntniß zu setzen.
Berndorf am 4. Juli 1868
Josef Wagner Wundarzt 


(Wundärzte waren handwerklich ausgebildete Chirurgen und gehörten bis ins 19. Jahrhundert hinein zu den wichtigsten Anbietern medizinischer Dienstleistungen. Mit der Verpflichtung zu akademischem Studium der Ärzte verloren die Wundärzte immer mehr an Bedeutung, bis sie im späten 19. Jahrhundert nicht mehr zu-gelassen wurden.)

Die Pocken waren durch Jahrhunderte in Europa eine Krankheit, der man machtlos gegenüberstand.


Im 18. Jahrhundert wurden die ersten Versuche unternommen, gesunde Kinder mit einer milden Form der Pocken zu infizieren. Kaiserin Maria Theresia, die drei Kinder durch Pocken verloren hatte, richtete ein „Impfhaus“ in Wien ein, wo man sich kostenlos impfen lassen konnte. Die Todesrate konnte durch diese Art der Impfung auf unter 3 % gesenkt werden, während die Sterblichkeit bei Ausbruch der Pockenkrankheit bei 10-30 % lag. Überstand man die Krankheit, so blieben gesundheitliche Schäden zurück, vor allem die Pockennarben, die auch das Gesicht der Kaiserin Maria Theresia entstellten. Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein Impfstoff entwickelt, durch welchen die Krankheit erfolgreich bekämpft werden konnte. 

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Durch die Aufklärung des Volkes, durch staatliche Regulative, Sanktionen und Strafen gelang es im 19. Jahrhundert, Pockenepidemien dadurch wirksamer zu begegnen. Vor allem den Pfarrern, die den Großteil der Menschen damals in den Gottesdiensten erreichten – darum erging auch das Schreiben oben an das Pfarramt in Seeham – kam die Rolle zu, von der Kanzel herab, die Kirchenbesucher aufzufordern, sich impfen zu lassen. So erlangte der Berndorfer Koadjutor (Hilfspriester) Gregor Krämer durch seine „Predigten“ für die Pockenimpfung, die er verschriftlichte und rege Verbreitung fanden, eine be-sondere Bedeutung. Er schilderte die Pockenkrankheit in ihren schrecklichsten Ausprägungen, um die Menschen aufnahmebereit für die Schutzimpfung zu machen. Nach der Pockenepidemie im Jahr 1800 war die Impfbereitschaft so hoch, dass z. B. in Wien in den folgenden 2 Jahren nur fünf Kinder an Pocken starben, während es davor jährlich bis zu 500 waren. Doch dann wurde man wieder nachlässig, was zu weiteren Epidemien führte. Erst durch die allgemeine Impfpflicht – 1939 im Deutschen Reich und 1948 in Österreich eingeführt - konnten die Pocken bis zum Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts weltweit ausgerottet werden. In Österreich wurde 1977 die Impfpflicht gegen Pocken abgeschafft.

Waren es damals die Pocken, die erst durch einen Impfstoff und durch allgemeine Impfungen besiegt werden konnten, so hoffen wir derzeit auf eine geeignete Gegenmaßnahme gegen den SARS-CoV-2-Virusstamm.